Friedrich Balke
Weil die Exponenten des sogenannten literarischen Untergrunds in Frankreich von den repräsentativen Orten, an denen sich die Gelehrten und les philosophes artikulierten (privilegierte Bücher, Salons, Akademien) ausgeschlossen waren, kultivierten sie einen grenzenlosen Hass auf die offizielle Kultur und schmähten sämtliche ihrer Institutionen »mit einer Unflätigkeit«, so Robert Darnton, »die man sich heute kaum vorstellen kann«. Der Vortrag nimmt diese Beobachtung zum Anlass, um infrastrukturelle Gemeinsamkeiten und Differenzen der vorrevolutionären Situation im Frankreich des 18. Jahrhunderts zur digitalen Plattformkultur der Gegenwart auszulosten, denn 1982, als Darnton seine Literaten im Untergrund veröffentlichte, existierten weder das Internet noch auch die digitalen sozialen Netzwerke, die der Schmährede und den Techniken der Verunglimpfung eine neue, ungeahnte Zukunft bescheren. Im Zentrum des Vortrags steht die vergleichende Betrachtung von Maßnahmen, mit denen der ›literarische‹ Verkehr damals und heute eingeschränkt, reguliert oder ›moderiert‹ wird und der literarische Diskurs zu einer Angelegenheit polizeiförmiger bzw. gouvernementaler Aufmerksamkeit wird, der er sich zugleich zu entziehen versucht.
Prof. Dr. Friedrich Balke ist Professor für Medienwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Theorie, Geschichte und Ästhetik bilddokumentarischer Formen an der Ruhr-Universität Bochum und Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs »Das Dokumentarische. Exzess und Entzug«. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Medien und Mimesis, Kultur- und Wissensgeschichte des Politischen sowie dokumentarische Urteilskraft.
Ausgewählte Publikationen: »Seasteading. Schreibszene und Gesetzgeber im Kontext maritimer Gründungsprojekte«, in: Comparatio. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft 11/1 (2019); Mimesis zur Einführung, Hamburg 2018; zus. mit R. Gaderer (Hg.), Medienphilologie. Konturen eines Paradigmas, Göttingen 2017.
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